Interview mit Marco Eisenack, MUCBOOK

Marco Eisenack sieht sich als Medienmacher und Innovator. Als Journalist und Herausgeber des Stadtmagazins MUCBOOK legt er den Fokus seiner Arbeit auf das schöne München, der Stadt, in der er lebt und arbeitet. Im Jahr 2020 hat er das Netzwerk MUNICH NEXT LEVEL ins Leben gerufen. Am 04. November 2022 hatte ich die Gelegenheit, mich mit Marco über die QuartierLabs von MUNICH NEXT LEVEL zu unterhalten, die zur Neu- und Umgestaltung des Bahnhofsviertels in München beitragen sollen. Es ging um Innovationen, Transformationen und Wandel der Stadt und ihren Quartieren, die uns so am Herzen liegt.

Marco, ich möchte dich als erstes direkt zu dem Projekt der QuartierLabs fragen: Wie bist du auf die Idee gekommen, so etwas zu starten?

Die Idee ist entstanden, als wir durch die Zwischennutzungen mit MUCBOOK CLUBHAUS plötzlich Raum zur Verfügung hatten – zentrale Flächen, die wir beleben können, die wir nutzen können. Das ist ein Traum. Und wie können wir möglichst viel für die Stadtgesellschaft dabei rausholen? Wir als Stadtmagazin haben vor allem eine große Stärke: Wir kennen Menschen aus allen möglichen Schubladen. Wenn du sonst auf Veranstaltungen gehst, gehst du in irgendeine Schublade. Und wir können sagen, wir machen alle Schubladen auf und holen die Menschen raus, die wir spannend finden. Durch den dabei entstehenden Austausch über die Grenzen von Disziplinen hinaus möchten wir helfen, München voranzubringen. Und jetzt haben wir endlich einen Raum, wo wir die Menschen auch zusammenbringen und über die wichtigen Themen dieser Stadt reden können. So ist die Idee zu MUNICH NEXT LEVEL entstanden, wo wir uns mit Menschen unterhalten, die wichtige Impulse über die dringenden Fragen unserer Stadt geben.

Was bedeutet das? Was erwartest du von dieser Veranstaltungsreihe?

Das ist jetzt die erste Veranstaltungsreihe mit den QuartierLabs, die im Grunde aber ein Auftakt einer dauerhaften Reihe von Veranstaltungen sein soll, die sich kontinuierlich mit der Transformation und den Herausforderungen in unserer Stadt beschäftigen sollen. Nach der ersten Staffel haben wir im besten Fall Ergebnisse, wie das Bahnhofsviertel seinen Wandel so hinbekommt, dass es trotz der massiven Investitionen und dem Veränderungsdruck, der dort derzeit stattfindet, noch wiederzuerkennen ist, noch seinen Charme behalten hat und zugleich aber auch modern, lebenswert und nachhaltig ist. Das zusammen zu bringen ist hier die große Herausforderung, weil mehr Aufenthaltsqualität in der Regel teurere Mieten mit sich bringt und mehr Klimaschutz auch wiederum vieles verteuert. Wie können wir die Identität des Viertels bewahren? Unser Ziel ist, den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung und der Politik und den Unternehmen ein paar Leitplanken mitzugeben.

Du sagst, es ist eine Veranstaltungsreihe. Ich springe gleich zur nächsten Frage: Hast du weitere Projekte geplant und wenn ja, zu welchen Themen?

Ja. Wir finden es ganz charmant, immer an andere Orte zu gehen und sich dann jeweils aus dem Umfeld des Ortes ein Thema zu suchen. Und natürlich ist die übergeordnete Richtung immer, dass es um Innovationen, Transformationen, Nachhaltigkeit in der gelebten Stadt geht. Wir schauen uns dann an, welche große Herausforderung gerade im Umfeld der jeweiligen Zwischennutzung vorhanden ist. Die nächste Staffel wird im Frühjahr 2023 sein. Dazu sind wir im Gespräch zu einer weiteren Nutzung in der Innenstadt, wobei es da durchaus um das Thema öffentlicher Raum in Teilen der Altstadt geht. Und dass wir uns vielleicht auch mit Blick auf die IAA insbesondere dem Thema öffentlicher Raum versus Mobilität widmen.

Nochmal ganz konkret. Du kommst eigentlich aus dem journalistischen Bereich. Wie bist du auf so große Projekte gekommen, die ja sehr allumfassend sind und eigentlich schon ein Stück weit von deinem Magazin MUCBOOK abrücken?

Für mich ist es nicht so viel anders, als wenn ich als Journalist arbeite. Es ist nur ein anderes Medium. So eine Veranstaltungsreihe zusammen zu stellen – mit den Impulsgebern, den Speakern, den Diskutanten, den Vortragenden – ist für mich nicht so anderes als ein Magazin zu konzipieren, wo ich mir ein Thema vornehme und die passenden Akteure zu diesem Thema in dieses Heft packe. Und darum ist das eigentlich ein sehr naheliegender Schritt und mich wundert eher umgekehrt, dass wir die einzigen sind, die als Stadtmagazin ein Konzept für das Bespielen von Räume ins Leben gerufen haben.

Wie ist die Resonanz auf die Veranstaltungen, auch im Vergleich zum Magazin?

Interessant ist, dass viele Menschen immer noch Berührungsängste haben, sich mit solchen Themen zu beschäftigen und wirklich persönlich dorthin zu gehen. Das sehen wir, wenn wir versuchen, über die Gäste hinaus zu kommen, die sich sowieso beruflich oder aus einem ehrenamtlichen Engagement heraus mit dem Thema „Stadt“ beschäftigen. Deshalb sind wir erstmal auch damit zufrieden, wenn wir die wichtigsten Multiplikatoren und Experten und Expertinnen zu dem jeweiligen Thema erreichen. Dass diese wissen, was wir machen und dann auch teilnehmen. Was uns derzeit sehr gut gelingt. Aber langfristig ist natürlich das Ziel, eine breitere Öffentlichkeit zur Beteiligung zu bewegen und diese Barriere abzubauen, auch mal zu solchen Workshops zu gehen. Oder dass man sich Impulse anhört, die inzwischen ja auch von Forschenden aus der Wissenschaft vorgetragen werden, die mit tollen Folien und unterhaltsamen Storytelling arbeiten. Vorträge von Verkehrsforscher:innen können heute oft genauso kurzweilig sein wie ein YouTube-Video.

Wie ist die Teilnehmerzahl und aus welchen Bereichen kommen die Teilnehmer? Ist man dann in der berühmten Bubble, von der so oft die Rede ist?

Wir haben das Projekt im Grunde als ein zweistufiges Veranstaltungsformat aufgebaut, das einerseits aus einem Kreis von Stadtpionier:innen besteht, die wir kuratiert haben, wie ein Redakteur ein Magazin kuratieren würde. Da haben wir aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Kultur und Politik jeweils 10 spannende und einflussreiche Personen ausgewählt. Damit diese Menschen wirklich in Kontakt kommen, bieten wir neben den Meetings im Raum die Vernetzung über eine Onlineplattform an, da arbeiten wir mit einem Miro-Board. Es geht auch darum, dass sie nicht nur ihre jeweiligen inhaltlichen Expertisen reinbringen, sondern dass sie sich vor allem auch kennenlernen und untereinander vernetzen. Wir sind völlig verblüfft, wie viele Menschen sich in dieser Stadt noch nicht kennen, obwohl die Stadt so klein ist. Obwohl sie an den gleichen Dingen arbeiten, nur weil sie in verschiedenen Schubladen sitzen. Darum ist das eine Ebene dieser Veranstaltung, nennen wir sie mal Stakeholder-Dialoge.

Die zweite Ebene sind die öffentlichen Veranstaltungen, wo wir gezielt Expert:innen ansprechen, sich einzubringen und die Öffentlichkeit einladen. Während der feste Kreis der Stadtpionier:innen sich regelmäßig austauscht und im Sinne der Schwarmintelligenz Ideen sammelt, geht es in den öffentlichen Veranstaltungen in die Werkstatt. Wir hatten bisher die Themen Handel im Wandel, Mobilitätswende, Neues Wohnen und Arbeiten, anschließend folgen Klima und Energiewende sowie Öffentlicher Raum.

Wir hätten bei den öffentlichen Werkstätten noch ein bisschen mehr Teilnehmer:innen erhofft. Derzeit kommen hier immer so um die 50 Personen. Vielleicht muss man sich damit abfinden, dass es einfach Menschen gibt, die sagen „Es ist ja gut, wenn sich andere darum kümmern. Ich habe Interesse an Klimaschutz und ich will den Wandel der Stadt voranbringen, aber ich habe auch Interesse an Ausflügen und Kinobesuchen oder habe Pflichten und habe keine Zeit, in so eine Werkstatt zu gehen.“ Da mach ich diesen Menschen überhaupt keinen Vorwurf. Deshalb ist es gut, dass wir über MUCBOOK die Möglichkeit haben, diesen Menschen zumindest von den Ideen und den Diskussionen zu berichten. Und darum ist diese wichtige dritte Stufe, dass wir bei MUCBOOK die Themen in die Sichtbarkeit und in die Stadtdebatte bringen.

Was ist zusammengefasst der Output der Veranstaltungsreihe?

Es gibt im Grunde wieder drei Ebenen. Ein konkreter wichtiger Output ist, dass sich Menschen kennenlernen, die in einer Stadt Wichtiges entscheiden können. Das ist für mich fast der zentralste Aspekt, ganz unabhängig von dem jeweiligen Thema. Es gibt viel zu wenig Möglichkeiten in München, wo die Menschen über ihre üblichen Branchen hinaus in Verbindung kommen. Und für die derzeit anstehenden Herausforderungen müssen wir die üblichen Pfade verlassen und müssen auf neue Ideen kommen. Und auf neue Ideen kommst du nur, wenn du plötzlich vor einem Menschen stehst, der vielleicht gar keine Ahnung von dem Thema hat, in dem du Fachmann bist, aber aus einer Branche kommt, die ähnliche Herausforderungen hat, sie aber ganz anders löst. Darum sind diese Vernetzungen ein ganz zentraler Output für mich.

Das zweite ist aber auch, etwas der Öffentlichkeit und den Planer:innen und Politiker:innen, die wirklich entscheiden müssen, mitzugeben. Und darum werden wir alle Ergebnisse in einem Working-Paper aufbereiten. Es soll durchaus ein bisschen tiefer gehen, damit es eine Art Empfehlung für Metropolen und ihre Transformation, in dem Fall im Bahnhofsviertel, vielleicht auch eine Inspiration sein kann. Auch weit über München hinaus.

Und der dritte Punkt ist natürlich, die Menschen im Idealfall dafür zu begeistern, sich einer Sache anzunehmen, die in diesen Werkstätten als konkrete Projektidee entwickelt wurde. Und dass sich vielleicht tatsächlich auch die eine oder andere Idee verselbstständigt und in die Realität gebracht wird.

Wer profitiert dann vorrangig von den Ideen, die generiert werden?

Vorrangig ist unser Ziel, dass jeder, der in der Stadt München lebt, davon profitiert. Make Munich a better place for good people. Das ist unser Ansatz. Und das heißt, es soll sich konkret etwas verbessern. Das würde ja dann jedem etwas nützen.

Zu den Veranstaltungen selbst: Wo gab es Schwierigkeiten? Wo liegen noch Probleme?

Man kann wirklich sagen, dass man immer wieder unterschätzt, wieviel Aufwand es ist, eine Veranstaltungsreihe zu organisieren, wenn es darum geht, Programme und Menschen abzustimmen. Wir haben tatsächlich im März 2020 mit der ersten Zwischennutzung in der Schillerstraße angefangen über die Veranstaltungsreihe MUNICH NEXT LEVEL nachzudenken und die ersten Planungen gemacht. Seitdem entwickelte sich im Grunde auch die Konzeption dieses mehrstufigen Verfahrens.

Wichtig war uns, wie man mit der Lebenszeit der Entscheider:innen, dieser sehr kostbaren Zeit, sehr sorgsam umgeht. Wir wollten nicht wieder eine weitere Veranstaltung machen, wo jemand oben auf der Bühne steht, was erzählt, danach gehen alle heim. Und ja, es war vielleicht nett, aber … Ich finde, da sollten die Leute was Sinnvolleres mit ihrem Leben anstellen. Darum haben wir ein sehr hohes Verantwortungsbewusstsein, sorgsam mit der Zeit der Menschen umzugehen. Und das hat wiederum uns enorm viel Zeit gekostet. Im Grunde haben wir die Konzeption der Workshops dreimal über Bord geworfen. Wir haben unser Team um Agenturen, die direkt auf Partizipationsprozesse spezialisiert sind, ergänzt. Die Partner Intrestik und The GoodPoint haben ihren Schwerpunkt in der Konzeption partizipativer Prozesse im Raum. Dann ist uns noch ein StartUp begegnet, Bamboo Growth. Sie haben sich vorrangig auf digitale Partizipation spezialisiert und wir fanden, das muss mitgedacht werden.

Es ist auf jeden Fall ein großes Learning gewesen, dass es gut war, dass uns Corona immer wieder zurückgeworfen hat und wir nicht anfangen konnten. Weil wir nach und nach verbessern und optimieren konnten, damit am Ende der beste Output für alle rauskommt und auch alle was davon haben. Ein weiteres Learning ist, man denkt immer, man hat es tausendmal erzählt und alle wissen von deiner Idee. Aber wenn du wirklich was Neues startest, dann musst du jedem fünfmal davon erzählen, dass dein Gegenüber auch wirklich begreift, was du da tust und es sich auch merkt, in seinen Kalender einträgt und auch kommt. Alle stehen unter so einem Erlebnis- und Nachfragedruck. Gerade wenn du auf solch einer Ebene der Entscheider:innen unterwegs bist. Wir wollen die Menschen mit den besten Ideen und den wichtigsten Hebeln in dieser Stadt erreichen.

Die Dokumentation ist natürlich auch ein Thema. Aktuell haben wir die große Herausforderung, wie man diese wichtigen Inhalte über die reine Dokumentation hinaus so aufbereitet, dass sie auch Menschen hilfreich sind, die nicht dabei waren. Da sind wir als Journalisten natürlich besonders ehrgeizig. Hierbei haben wir noch einige Hausaufgaben vor uns.

Spannend! Ich habe noch zwei Fragen, die eher ins Private gehen. Bei all den Projekten und Arbeitsbereichen, wie schaffst du es, alles im Blick zu behalten und zu organisieren?

Da verlasse ich mich auf mein Team. Ich habe lange nicht mehr den Anspruch, die Dinge im Blick zu haben. Es gibt für jeden Bereich jemanden, der das eigenverantwortlich im Blick hat. Und ohne das großartige Team um Gabriele Eder und Laura Siegenführ wäre das alles gar nicht möglich.

Die zweite Frage zielt auf die Work-Life-Balance ab. Wie kommst du zur Ruhe? Wie entspannst du dich? Wie findest du deinen Ausgleich?

Da hat Corona geholfen. Vor Corona sprang ich im Stundentakt von Termin zu Termin. So wie man das halt so machen musste ohne Videokonferenzen, immer an anderen Orten. So war ich den ganzen Tag von A nach B unterwegs. Zwar mit dem Fahrrad, aber trotzdem ist das natürlich stressig. Außerdem andauernd Abendtermine. Gerade die Abendtermine, deshalb bin ich da auch so wahnsinnig anspruchsvoll bei unserer eigenen Reihe, sind Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es für die Familien einfach so wichtig ist, diese Zeit für sich zu haben. Darum war Corona dann ganz dankbar. Plötzlich war alles per Zoom möglich und meine Kunden mussten sich damit abfinden, dass die Treffen per Zoom stattfanden. Das war die große Befreiung von dem täglichen Stress der Vor-Ort-Termine.

Auch die Abendtermine wurden dann lange Zeit digital angeboten. Auch jetzt habe ich den Vorsatz, nur einen Abendtermin pro Woche zu besuchen. Oft redet man sich das nur ein, dass es wirklich wichtig ist, vor Ort zu sein. Ehrlich gesagt, wenn man irgendwo hingeht, um mit Leuten zu reden, dann ist es oft besser, sich mittags zu verabreden. Dann redet man wirklich intensiver. Auf einem Event ist es oft doch nur oberflächliches Bla Bla. Das sind die beiden wichtigen Themen für die Work-Life-Balance, finde ich. Vor-Ort-Termine auf Zoom legen und die Abendtermine auf ein bis zwei pro Woche zu reduzieren.

Gelingt dir das?

Ja!

Sehr gut. Das heißt, dein Ausgleich sind Familienabende?

Genau. Familienabende und weiterhin natürlich das Fahrrad. Für mich die schönste Form des Workouts. Darum mach ich auch einmal im Jahr meine Alpenüberquerung mit dem Rennrad. Einfach eine Woche mit dem Fahrrad allein durch die Berge zu radeln ist immer mein persönliches Jahres-Highlight.

Einmal Abschalten. Wie schön. Danke schön.

Danke dir.

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